Eine Woche in Tinsung
- Hannes Unger
- 2. Juli 2018
- 4 Min. Lesezeit
In Ghana hat ein Schuljahr drei „Terms“ und immer am Ende jedes „Terms“ gibt es dann Ferien. Nach Ostern war es wieder soweit und auch ich hatte Ferien. Die Familie von vier Missionboys hat mich zu sich eingeladen und ich durfte eine Woche lang gemeinsam mit ihnen in ihrem Dorf leben. Das war für mich eine sehr schöne und intensive Erfahrung, denn ich bekam so die wirkliche Lebensweise hautnah mit. Ich war auch ein wenig aufgeregt. Gemeinsam mit Daniel, dem ältesten der vier Missionboys, meinem Gepäck und einem kleinen Gastgeschenk machten wir uns mit dem Motorrad auf den Weg. Ich wurde gleich von allen freundlich begrüßt. In Ghana leben auf dem Dorf überwiegend Großfamilien. Im Hause meiner Gastfamilie wohnen der Vater von Daniel, John und Elijah gemeinsam mit seinen zwei Frauen. Die Polygamie ist hier noch traditionell weit verbreitet. Durch den christlichen Einfluss findet hier nach und nach ein Umdenken statt und es verändert sich bei vielen diese bisherige Lebensform. Ansonsten wohnen auch noch zwei ältere Söhne mit ihren Frauen und Kindern im Haus. Dies macht das Haus zu einem sehr lebendigen Ort. Es ist für mich beeindruckend, dass diese Form der Großfamilie und vor allem mit zwei Ehefrauen im Haus funktioniert. Für mich persönlich wäre das nicht vorstellbar. Leider können noch nicht alle in der Familie Englisch sprechen, was die Kommunikation sehr schwierig machte, da meine Konkomba Sprachkenntnisse sehr schlecht sind. Die Missionboys mussten daher immer wieder als Übersetzer einspringen.
Die Lebensweise auf dem Dorf ist sehr einfach. Zum Duschen gibt es lediglich einen Eimer mit Wasser. Dazu gibt es Seife und es wird eine Art Schwamm oder Netz verwendet, mit dem die Haut eingeseift wird. Es war kein Problem für mich, da ich schon öfter mal „nur“ mit Eimer geduscht hatte. Wenn man sich erleichtern musste, gab es im Grunde zwei Möglichkeiten – ein Plumpsklo oder sich mit einem Spaten bewaffnet in den Wald aufzumachen.
Ansonsten wurde bei der Familie viel häufiger gegessen, als bei uns auf der Missionsstation in Gushegu. Zwischen den Hauptmahlzeiten gab es immer wieder kleinere Snacks, wie geröstete Erdnüsse, Yam oder Mangos. Total lecker.
Zum Frühstück gab es Brot und Kakao für mich. Die Einheimischen essen meist TZ zum Frühstück, was ein Gericht aus Maismehl mit Erdnusssuppe oder Okrosuppe ist. Wie bei fast allen einheimischen Gerichten, wird mit der Hand gegessen. Daher ist das Essen der Einfachheit halber auch immer ein wenig klebrig, um es besser essen zu können. Ansonsten gab es neben TZ auch Mais mit Bohnen oder Reis. Für den Notfall (wenn ich das Essen nicht vertragen würde) hatte ich Kekse mit dabei. Diese habe ich jedoch nicht benötigt und an die Kinder verschenkt.
Die Familie ist zum Großteil in der Landwirtschaft tätig. Eine der beiden Ehefrauen betreibt zusätzlich einen winzigen Lebensmittelladen. Einer der älteren Brüder der Missionboys studiert IT und versucht sich nach Erhalt seines Zeugnisses für ein Stipendium in Europa zu bewerben.
Am Nachmittag haben wir dann meist mit ein paar Kindern aus dem Dorf Fußball gespielt. Fußball ist einfach überall bekannt und sehr beliebt. Ebenso Kartenspiele wie Skat oder UNO.
Da es im Haus zu heiß war, habe ich mit meiner Matte im Innenhof unter freiem Himmel geschlafen, was sehr angenehm war. Man kann vor dem Einschlafen so schön die Sterne beobachten. Die Lichtverschmutzung, wie bei uns in Europa, gibt es hier quasi nicht, denn es gibt hier in Tinsung, wie auch in vielen anderen Dörfern, noch keinen Strom. Es ist ungewohnt, aber ich bin damit klar gekommen.
Gemeinsam mit den Jungs und ihrem Hund sind wir auch zweimal auf die Jagd gegangen. Wir hatten vor einen Hasen oder Vögel zu schießen oder Ratten zu fangen. Mit etwas Glück, bekommt man auch eine Antilope zu sehen und kann diese eventuell mit noch mehr Glück auch erlegen. In unserem Fall war die Ausbeute nach 4 Stunden Jagd lediglich eine kleine Feldmaus, die der Hund bekam. Bei der Rattenjagd wittert der Hund ein Rattenloch, was dann aufgegraben wird. Sobald die Ratte dann das Loch verlässt, beginnt die Hetzjagd. Mit Stöcken wird auf die Ratte eingeschlagen und nach ihr geworfen, wobei das Tier keine Chance hat. Auch mit Steinschleudern können einige der Kinder und Jugendlichen sehr gut umgehen. Sie treffen sogar Vögel im Flug. Das war sehr beeindruckend.
Während meiner Zeit im Dorf gab es den ersten richtigen und intensiven Regenschauer nach der langen Trockenzeit. Der Regen prasselte nur so auf die Blechdächer, was wahnsinnig laut war. Da der Boden komplett ausgetrocknet war, stand das Wasser anfangs zwischen den Häusern und auf den Feldern. Der Regen war ein Segen für die Bauern. Sie konnten endlich mit dem Pflügen und der Aussaat beginnen. Nur wenige hier können sich einen Traktor leisten. Die meisten Bauern müssen daher ihren Acker mit der Hand bearbeiten. Auch ich machte mich nützlich und half der Familie beim Aufhäufen der Yam-Hügel. Die Arbeit in der Landwirtschaft hier ist sehr hart und anstrengend.
Für den Sonntagsservice (Gottesdienst) haben sich dann alle sehr schick gemacht. Wir feierten den Gottesdienst unter einem Baum, da sich die Kapelle noch im Rohbau befindet. Der Gottesdienst war sehr lebendig und fröhlich.
Ich habe die Familie während dieser Woche richtig ins Herz geschlossen und habe sie in den kommenden Wochen auch noch ein paar Mal besucht.
Herzliche Begegnungen und unvergessliche Eindrücke konnte ich mit nach Gushegu nehmen.
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