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Familienbesuch

  • Autorenbild: Hannes Unger
    Hannes Unger
  • 2. Juli 2018
  • 5 Min. Lesezeit

Als der Besuch meiner Familie und Freunde näher rückte, wurde mir zum ersten Mal richtig klar, dass meine Zeit hier in Ghana fast um ist. Ich war sehr aufgeregt. Wie würde es sein, nach so langer Zeit, meiner Familie, meine zweite Heimat zu zeigen? Würde es ihnen gefallen? Würden sie mit dem „Kulturschock“ klarkommen?


Ich wollte sie in Accra abholen und machte mich bei strömendem Regen, in einem Bus mit offenen Fenstern, auf den Weg nach Yendi. Dazu kamen auch noch die gefühlt sehr kalten Temperaturen. Ich hatte Kleidung an wie im Winter, denn Temperaturen weit unter 30° war ich nicht mehr gewohnt.

Bei der Fahrt von Yendi nach Accra hatte ich einen unbeschreiblich komfortablen Bus, was die Reise für mich sehr angenehm machte. Ich kam gegen 3:00 Uhr in der Nacht in Accra an und viel todmüde im Gästehaus der Steyler ins Bett, wo ich dann auch fast den ganzen Tag verbrachte.

Aufgeregt, mit klopfendem Herzen wartete ich am Flughafen. Mit einer Stunde Verspätung kamen sie dann gegen 23:30Uhr aus dem Terminal. Die Begrüßung war sehr emotional. Es war schön meine Cousine Isabell, meine Tante Tina und Judith, die beste Freundin meiner Mama, in die Arme zu nehmen. Die drei „Mädels“ waren voll bepackt und erleichtert nun gut angekommen zu sein. Im Gästehaus der Steyler gab es dann noch ein leckeres „Mitternachtsessen“ für die Drei, von dem sie noch die nächsten Tage über schwärmten.

Wir hatten uns für eine Reise nach Gushegu über den Westen entschieden. Meine Cousine zog es vor, trotz Malariaprophylaxe, täglich ihr Moskitonetz aufzubauen. Da bin ich mittlerweile etwas nachlässiger geworden.

Unser erstes Ziel war Cape Coast. Hier lernten sie dann auch gleich das Fortbewegungsgefährt Nummer Eins hier in Ghana, kennen. Mit sogenannten Trotros, kleinen umgebauten Transportern, waren wir überwiegend unterwegs. Anders als bei uns in Deutschland, fahren diese nicht zu bestimmten Zeiten ab, sondern dann, wenn sie voll sind. Die Uhren gehen hier einfach etwas anders. Wie heißt es doch so schön: „ Die Europäer haben die Uhr und die Afrikaner haben die Zeit.“

Die drei Mädels hatten einen straffen Reiseplan, denn schließlich wollten sie in den 14 Tagen so viele Eindrücke wie möglich sammeln. Dies bin ich natürlich nicht mehr gewohnt, denn hier in Ghana ist alles etwas ruhiger und gelassener als bei uns in Deutschland. Und so kam es, dass ich immer mal wieder in „Stress“ kam.

Ich schlug ihnen vor, auf alle Fälle das lokale Essen zu probieren und zu genießen. Anfangs noch sehr zurückhaltend und vorsichtig brachte ich sie nach und nach auf den Geschmack der einheimischen Köstlichkeiten. Es gab vielfältige Angebote direkt auf der Straße. Selbst ich lernte noch neue Gerichte kennen. Fufu wird hier im Süden aus Casava und Planten hergestellt und im Norden Ghanas wird es mit Yam gestampft. Das Aroma der frischen Früchte wie Mangos, Kokosnüsse, Ananas und Melonen war für alle ein Genuss.

Ich freute mich, dass sie ebenso begeistert von Land und den Leuten waren wie ich. Die Gastfreundschaft hier in Ghana ist aber auch wirklich sehr herzlich. Das einzige, was ihnen wirklich zu schaffen machte, war die extreme Hitze.


Wir besuchten die Sklavenburg in Cape Coast, von wo aus die Engländer die Sklaven nach Amerika verschifften. Die Gedenkstätte war beeindruckend und hat uns sehr bewegt. Judit, die zu Beginn kein Englisch sprach, lernte jeden Tag dazu. Doch sie konnte sich auch mit Schwäbisch und ihrem Scharm gut unterhalten und die Leute zum Schmunzeln bringen.

Nicht sehr weit von Cape Coast befindet sich der Kaakum Nationalpark. Er ist für seinen Hängebrückenweg auf über 40m bekannt. Es hat uns „fast“ allen sehr viel Spaß und Freude bereitet, auf dieser Höhe über weite Teile des Waldes zu blicken.

Auf unserem Weg in den Norden veränderte sich die Natur deutlich. Die Landschaft wurde zunehmend karger und sandiger. Im Bus den wir nahmen, mussten wir leider eine zwei stündige, schreiende Rede eines Predigers anhören, was mich aufgrund meiner Müdigkeit sehr anstrengte. Immer wieder begegneten uns die typisch afrikanisch überfüllten Fahrzeuge, die mit den unterschiedlichsten Waren, Tieren und Menschen beladen waren. Einmal fuhren sogar eine lebendige Kuh und vier Ziegen auf dem Dach eines Busses mit. Je weiter wir in den Norden kamen, desto mehr motorisierte Zweiräder gab es. Auch die Häuser wirkten deutlich ländlicher und ärmer als im Süden. Schockiert waren die „Mädels“ von dem Gestank, der durch das Verbrennen von Müll, vor allem von Plastikmüll, bald vor jedem Haus, entstand. In Ghana gibt es kein wirklich ausgereiftes Müllsystem. Ebenso gibt es auch keine Kanalisation. Die Fäkalien und das Abwasser laufen teilweise in offenen Gräben durch die Dörfer und Städte. Und das stinkt extrem bei dieser Hitze.


In Kumasi, der zweitgrößten Stadt Ghanas, bekamen sie das afrikanische Großstadtleben hautnah mit, was aber vor allem anstrengend und laut war. Wir wurden durch einen großen Wochenmarkt geschoben, auf dem es wirklich alles zu kaufen gab, was das Herz in Afrika begehrt. Es gab auch viele Kunsthandwerker, die ihre Produkte lautstark anpriesen.


Natürlich machten wir auch Halt im Mole Nationalpark und haben dieses Mal richtig Glück. Wir mussten keine Elefanten suchen, sondern die Elefanten besuchten uns direkt vor unserer Unterkunft. Gigantisch! Ansonsten konnten wir noch Antilopen, Affen und Krokodile in freier Wildbahn beobachten. Die Natur hier im Nationalpark war wirklich wunderschön.

Dann ging es endlich weiter nach Gushegu. Leider waren die Busse alle schon weg, doch ein sehr freundlicher und hilfsbereiter Sicherheitsbeamter nahm uns in seinem Auto mit. Spät abends erreichten wir dann Gushegu. Nach einer herzlichen Begrüßung der Patres zeigte ich den „Mädels“ ihre Unterkunft, mein Minizimmer mit Waschgelegenheit. Etwas beengt und sichtlich erschöpft gingen sie dann bald ins Bett.

Am anderen Tag führte ich sie auf der Missionsstation herum, stellte sie den Missionboys vor und spannte sie gleich zum Arbeiten mit ein, denn samstags ist immer großer Arbeitstag auf der Station. Tatkräftig halfen sie beim Tragen der schweren Blöcke, die zum Bau der Klassenzimmer benötigt werden, mit. Die Missionboys waren sichtlich beeindruckt. Sie reden noch immer davon. Abends hatten wir eine „Allnight“ in einer der Outstations. Wir fuhren Laala einem nahegelegenen Dorf, wo dann die ganze Nacht hindurch gepredigt, gebetet, gesungen und getanzt wurde. Das war für die drei eine sehr interessante, jedoch sehr anstrengende Erfahrung war.

Morgens gegen 4 Uhr fielen wir völlig übermüdet ins Bett. Doch die Nacht war schnell wieder vorbei, denn um 9:30Uhr begann die Sonntagsmesse. Die drei waren begeistert von der Lebendigkeit der Messe. Sie fühlten sich jedoch ein wenig „underdressed“, da die Gottesdienstbesucher sich hier wirklich in Schale werfen.

In den nächsten Tagen bekamen sie einen Einblick in den Schulalltag, was sie teilweise schockierte, aber auch beeindruckte, denn die Ausstattung der Klassenräume und die Schulmaterialien sind sehr einfach. Die Klassen sind sehr groß und die Unterrichtsbücher sind veraltet, denn sie vermitteln den Schülern, was Hexen sind, oder ausschließlich der Vater in der Familie das Sagen hat. Meine Cousine, die selbst Lehrerin ist, war gleich in ihrem Element. Isabell durfte in der Klasse der Rektorin zum Thema Uhr unterrichten. Sie war von der Wissbegierde der Schüler fasziniert und wäre am liebsten hier an der Schule geblieben.

Die „Mädels“ hatten in ihrem Gepäck für die Missionboys Kartenspiele, Fußballtrikots und Fußbälle aus Deutschland mitgebracht, denn jeden Nachmittag wird hier Fußball gespielt. Sogar die Patres spielen mit. Es gab dafür eine feierliche Übergabe und alle waren sichtlich begeistert. Es war ein sehr emotionales Ereignis für alle.

Einen Tag und eine Nacht im Dorf Tinsung, ohne Strom und fließend Wasser, wollten „meine Mädels“ auch erleben und sie bekamen einen kleinen Eindruck vom wirklichen Dorfleben in Ghana.

Die 14 Tage vergingen wie im Fluge und der Abschied fiel allen nicht leicht. Die drei haben die Missionboys und die Schüler in ihr Herz geschlossen und ihre kurze Zeit hier sehr genossen. In Yendi verabschiedete ich sie am Bus Richtung Accra. Gerne wären sie noch länger geblieben und ich glaube, sie werden Ghana in guter Erinnerung behalten, denn die Menschen hier sind extrem gastfreundlich und die Kultur, das Land und die Natur sind sehr beeindruckend.

Herzliche Grüße

Euer Hannes.

P.S. Es sind nur noch 4 Wochen bis zu meiner Abreise nach Deutschland und es gibt noch so vieles was ich hier erledigen möchte.


 
 
 

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